Das größte städtebauliche Projekt des 19. Jahrhunderts in Europa
Als Gesamtkunstwerk des Historismus ist die Ringstraße das bedeutendste und größte Ensemble dieser Epoche, die in Wien als die Ringstraßenära in die Geschichte einging. Der für ihre Architektur stilbildende Historismus wird gerne als Ringstraßenstil bezeichnet. Die Form eines Hufeisens verleiht dem Boulevard seinen unverwechselbaren und einzigartigen Charakter und jene Architekturformen, die Europa in den letzten 2.000 Jahren prägten, begegnen einem in historischer Form auf dem Ring. Die Ringstraße ist zudem ein Spiegelbild des wechselnden Selbstverständnisses der Habsburger-Monarchie, in der Zeitgeist und Politik eine Symbiose eingingen.
In der Zeit des Historismus schließt man an bewährte Traditionen an und schafft mit Hilfe historisierender Formen dennoch etwas vollkommen Neues, indem man ältere Motive zitiert und Stile mischt. Einerseits will man zwischen dem neuen Bau und den historischen Leistungen eine Kontinuität herstellen, andererseits ist der gewählte Stil auch insofern ein symbolisches Programm, als er auf die Funktion und Nutzung des Gebäudes hinweist. Die Architekten greifen auf jene Stile zurück, die der Bestimmung des Neubaus am besten entsprechen. Da architektonischen Formen bestimmte Charaktereigenschaften innewohnen, ordnet man dem Bau einen gewissen Stellenwert zu – es gilt diese Botschaften zu entschlüsseln.
Romantischer Historismus, strenger Historismus und Barockhistorismus – diese drei wesentlichen Phasen des Historismus finden sich an der Ringstraße wieder. Dabei ist jedoch kein Bauwerk auf der Ringstraße einer konkreten historischen Kunstrichtung eindeutig zuzuordnen.
Architekten aus ganz Europa beteiligten sich an dem Ideenwettbewerb zu der Gestaltung des neuen Boulevards, der der Residenzstadt der Donaumonarchie – der am raschesten wachsenden Stadt Europas – den Charakter einer neuen Metropole geben sollte. Die Habsburgermonarchie war von der Fläche her der zweitgrößte Staat in Europa, von der Einwohnerzahl gesehen lag sie an dritter Stelle und zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts 50 Millionen Einwohner. Man träumte davon, die berühmten Pariser Boulevards sogar noch zu übertreffen.
Quelle: (Dmytrasz: Die Ringstraße, S. 10)