Die Wiener Ringstraße

Ein Boulevard in Hufeisenform

 

Die Ringstraße, die mit dem Franz-Josefs-Kai rund um das historische Zentrum Wiens führt, und ihre zahlreichen historischen Bauwerke zählen zu den Hauptsehenswürdigkeiten der österreichischen Bundeshauptstadt. Die Gesamtlänge des annähernd kreisförmigen Straßenzugs beträgt 5,2 km. Die Ringstraße selbst nimmt etwa drei Viertel davon ein; sie wird häufig nur der Ring genannt, obwohl dieser Ring, was die offiziellen Straßennamen betrifft, in neun Abschnitte geteilt ist. Entlang der gesamten Ringstraße wurden zahlreiche öffentliche und private Bauten errichtet. Adelige und andere wohlhabende Privatleute beeilten sich, repräsentative Palais im monumentalen historistischen Stil bauen zu lassen. Gelegentlich wird auch der Franz-Josefs-Kai am Donaukanal, der den Schottenring am westlichen und den Stubenring am östlichen Ende verbindet und damit den Kreis um die Altstadt schließt, zur Ringstraße gezählt.

GESCHICHTE

Das größte städtebauliche Projekt des 19. Jahrhunderts in Europa

 

Als Gesamtkunstwerk des Historismus ist die Ringstraße das bedeutendste und größte Ensemble dieser Epoche, die in Wien als die Ringstraßenära in die Geschichte einging. Der für ihre Architektur stilbildende Historismus wird gerne als Ringstraßenstil bezeichnet. Die Form eines Hufeisens verleiht dem Boulevard seinen unverwechselbaren und einzigartigen Charakter und jene Architekturformen, die Europa in den letzten 2.000 Jahren prägten, begegnen einem in historischer Form auf dem Ring. Die Ringstraße ist zudem ein Spiegelbild des wechselnden Selbstverständnisses der Habsburger-Monarchie, in der Zeitgeist und Politik eine Symbiose eingingen.

 

In der Zeit des Historismus schließt man an bewährte Traditionen an und schafft mit Hilfe historisierender Formen dennoch etwas vollkommen Neues, indem man ältere Motive zitiert und Stile mischt. Einerseits will man zwischen dem neuen Bau und den historischen Leistungen eine Kontinuität herstellen, andererseits ist der gewählte Stil auch insofern ein symbolisches Programm, als er auf die Funktion und Nutzung des Gebäudes hinweist. Die Architekten greifen auf jene Stile zurück, die der Bestimmung des Neubaus am besten entsprechen. Da architektonischen Formen bestimmte Charaktereigenschaften innewohnen, ordnet man dem Bau einen gewissen Stellenwert zu – es gilt diese Botschaften zu entschlüsseln.

 

Romantischer Historismus, strenger Historismus und Barockhistorismus – diese drei wesentlichen Phasen des Historismus finden sich an der Ringstraße wieder. Dabei ist jedoch kein Bauwerk auf der Ringstraße einer konkreten historischen Kunstrichtung eindeutig zuzuordnen.

Architekten aus ganz Europa beteiligten sich an dem Ideenwettbewerb zu der Gestaltung des neuen Boulevards, der der Residenzstadt der Donaumonarchie – der am raschesten wachsenden Stadt Europas – den Charakter einer neuen Metropole geben sollte. Die Habsburgermonarchie war von der Fläche her der zweitgrößte Staat in Europa, von der Einwohnerzahl gesehen lag sie an dritter Stelle und zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts 50 Millionen Einwohner. Man träumte davon, die berühmten Pariser Boulevards sogar noch zu übertreffen.

 

Quelle: (Dmytrasz: Die Ringstraße, S. 10)